Wenn es in Gesprächen um den christlichen Glauben geht, kommt früher oder später der peinliche Moment, wo das Thema "Sünde" angeschnitten wird. Doch so mancher will - verständlicherweise - kein schlechtes Gewissen gemacht bekommen und geht in die Offensive: "Ich - ein Sünder? Ich habe doch niemanden umgebracht!"
Betrachten wir zunächst einmal die möglichen Missverständnisse: Ein Sünder ist zunächst nicht etwa ein besonders schlechter Mensch (oder ein besonders armseliger, wie es die Redewendung vom "armen Sünder" suggeriert), noch Leute, die ihrem kulinarischen oder erotischen Appetit verfallen oder die Verkehrsregeln ignorieren. Nein, auch Menschen, die im bürgerlichen Sinne "anständig" leben, sind nach christlichem Verständnis Sünder.
Jesus hat immer daran erinnert, dass Sünde eine Haltung des Herzens ist, die sich gegenüber Gott abschottet, selbst wenn das nach außen hin niemand merkt. Weil das so ist, helfen auch immer präzisere Regeln und Vorschriften nicht weiter. Also hat Jesus Gottes Gebote radikal vereinfacht - und vor allem positiv formuliert: Es geht darum, Gott über alles zu lieben und unsere Mitmenschen so zu behandeln, wie wir das gerne von ihnen hätten (siehe Matthäus 22, 37-39). Keine Verbote mehr - aber was für eine Herausforderung!
Daraus folgt: Für Jesus stehen nicht die Übertretungen, sondern die Unterlassungen im Vordergrund. Und da trifft es auch den braven Bürger, der meint, er habe ja "gar nichts getan". Das ist es ja eben - er hat nichts getan! Sünde bedeutet wörtlich "Zielverfehlung" und das Ziel haben wir auch dann verfehlt, wenn wir unter unseren Möglichkeiten bleiben, wenn es darum geht, Gutes zu tun. Wenn wir nicht alle Mittel dafür einsetzen, die Person zu werden, die wir eigentlich sein könnten.
Gott möchte, dass wir Menschen sein kreatives und liebevolles Wesen widerspiegeln. Wenn die Vertrauensbeziehung zu ihm zerreißt, verlieren wir diese Ähnlichkeit. Gott erkennt sich in uns nicht mehr. Diese Entfremdung nennt die Bibel "Sünde". Und deshalb kam Jesus, um uns zu finden.