Psalm 127

 

 

Dieser Text stellt kein Freibrief für Faulheit dar.

Wie in vielen Dingen des Lebens und des Glaubens gibt es auch beim heutigen Thema des "Sichsorgens bzw. Nichtsorgens" zwei Extreme, die z.T. auch vertreten werden, wo aber die Wahrheit dazwischen zu suchen ist.

1. Extremposition: Wenn Gott handelt, kann ich meine Hände in den Schoß legen.

2. Extremposition: Ich handle, und Gott sieht zu und gibt danach sein Amen.

Wirklichkeit: Es geht um ein Wirken in der Gemeinschaft mit Gott, Gott möchte uns miteinbeziehen.

3 Beispiele im Text:

1. Hausbau, erweiterbar für alles was wir "bauen", durchführen. Am Ende steht vielleicht ein fertiges Haus da, eine gelungene Veranstaltung oder ein gelungener Abend durchgeführt, aber welcher Segen floß?

Es ist letztlich erschreckend zu wissen, daß Dinge, die ohne Gott bzw. ohne Gebet angegangen und durchgeführt werden, letztlich geistlich wertlos, "umsonst", nutzlos sind.

Gefahr der Routine, Gebet glaubt man nicht mehr nötig zu haben, äußerlich vielleicht toller Erfolg, geistlich leer.

2. Wächter. Auch hier gilt wieder: Kein Freibrief für Leichtsinnigkeit. Eine gesunde Vorsorge ist auf jeden Fall angebracht und häufig auch gesetzlich gefordert. Aber es ist nicht die Rede von einem rastlosen und immerwährenden Ängstigen und Sorgen: "Was wäre, wenn ..." bzw. "was könnte sein, wenn vielleicht ..."

Mir ist es schon passiert - vielleicht ist es Ihnen auch schon so ergangen -, daß ich ans Auto zurückgekommen bin und festgestellt habe: Die Tür ist ja gar nicht verschlossen.

Oder was ist, wenn mal Tür am Haus oder Balkon nicht ganz geschlossen war, oder der Schlüssel außen steckte. Da kann man dann nur sagen: "Wenn der Herr nicht das Haus behütet ..." Diese Gewißheit gibt dann wieder Trost und Gelassenheit.

3. Kinder. Ab Vers 3 ist die Rede von Kindern. Was hat dies mit den Versen davor zu tun? In Vers 1 u. 2 erhalten wir Verheißungen über das Gelingen und das wachsame Auge, das Gott uns zukommen läßt. Eine Verheißung ist ein Zugeständnis Gottes, das wir allerdings nicht einklagen dürfen (Bsp. billigerer Verkauf einer beschädigten Ware). So wie die Verheißung über den Hausbau oder das wachende Auge Gottes Verheißungen an uns sind, so dürfen die Menschen auch Kinder verheißungsmäßig erwarten, aber keinesfalls gefordert werden. Weder Kinder, noch Gelingen beim Hausbau, noch Bewachung dürfen wir bei Gott einklagen, aber wir dürfen uns auf seine Verheißung berufen und sicher sein, daß Gott uns diese Verheißungen zur rechten Zeit - sofern er es für gut hält - uns zukommen läßt. (Bsp. Essen bereitstellen)

"Sorgt nicht um Euer Leben" heißt nicht "sich nicht kümmern um", es verbietet nicht jede gebotene, kluge Vorsorge, aber meint, daß wir uns keine Sorgen machen sollen und uns vor lauter Sorge und Angst aller Lebensfreude berauben.

In einer ausführlicheren Abhandlung über das Sorgen nennt Jesus uns in der Bergpredigt (Mt. 6,25-34) einige Punkte, wie man der unnötigen Besorgnis begegnen kann:

1. Wenn Gott uns das Leben schenkt, können wir auch in allem Lebensnotwendigen auf ihn bauen.

Bsp. Unterhalt, Kleidung, Essen, ...

2. Bsp. Tiere (Mt. 6,26): Vögel machen sich keine unnötigen Sorgen und versuchen keine Vorräte für die ungewisse und unvorhersehbare Zukunft anzulegen, und doch bleiben sie am Leben. Ein jüdischer Rabbiner war einmal fasziniert von der Lebensweise der Tiere: "Nie habe ich einen Hirsch Feigen trocknen sehen, noch einen Löwen, der etwas trug, oder einen Fuchs, der Kaufmann war, und doch wurden sie alle genährt, ohne sich Sorgen deswegen zu machen. Wenn die, die dazu erschaffen wurden, mir zu dienen, so ernährt werden, um wieviel mehr werde dann ich ernährt werden, der erschaffen wurde, um meinem Schöpfer zu dienen. Doch ich habe meine Wege verdorben und damit etwas von meinem wahren Wesen eingebüßt." Es geht hier nicht darum, daß Jesus etwa behaupten will, die Vögel arbeiteten nicht - niemand bemüht sich emsiger um seinen Lebensunterhalt als die Spatzen -, es geht vielmehr darum, daß sie sich keine Sorgen machen. Im Gegensatz zu den Menschen strengen sie sich nicht an, in die Zukunft zu sehen und sich vor ihr abzusichern.

(So dürfen wir getrost wissen: Der Himmel und Erde füllt, kann auch ein Haus versorgen.)

3. Bsp. Pflanzenwelt (Mt. 6,28-30): Bei den Lilien handelt es sich um den scharlachroten Mohn und die Anemonen, die an den Berghängen Palästinas nur einen einzigen Tag lang blühten und trotz ihrer kurzen Lebensdauer von solcher Pracht waren, daß dagegen selbst die Pracht der Königsgewänder verblaßte. Waren sie dahingewelkt, konnte man sie nur noch dazu benutzen, die Lehmöfen damit anzuheizen. Besonders wenn man rasch den Herd erhitzen wollte, warf man ein paar Handvoll trockene Gräser und wilde Blumen auf das Feuer. Obwohl die Blumen nur einen Tag blühten und dann dazu dienten, den Ofen zu heizen, wenn die Frauen eilig etwas zubereiten wollten, kleidete Gott sie mit einer Schönheit, wie kein Mensch sie nachzumachen imstande ist. Wenn Gott einer Blume von so kurzer Lebensdauer solche Schönheit verleiht, um wieviel mehr wird er dann für die Menschen sorgen? Wenn Gott schon Blumen, die nur einen Tag blühen, so verschwenderisch bedenkt, wird er erst recht die Menschen, die Krone der Schöpfung, nicht vergessen.

(Wir haben mittlerweile große technische Fortschritte, aber dennoch sind wir nicht in der Lage, Leben zu erzeugen, nicht einmal, einen Grashalm zum Wachsen zu bringen.)

4. Jesus argumentiert, daß unnötige Besorgnisse in jedem Fall zwecklos sind, z.B. Verlängerung des Lebens.

Bsp. Sorgen um Gesundheit, d.h. nicht verantwortungslos mit Umwelt und Nahrung umgehen aber Gott hat die Länge unseres Lebens in der Hand.

Gott wird unser Leben so lange gewähren lassen, wie er es für angebracht hält.

5. Besorgnis ist ihrem Wesen nach Mißtrauen gegenüber Gott (Mt. 6,32). Das ist bei Menschen, die an einen eifersüchtigen, launischen, unberechenbaren Gott glauben, vielleicht verständlich, sollte aber bei Christen, die an die Liebe Gottes glauben, nicht so sein.

Wir sollen Gott vertrauen (Wenn's drauf ankommt, gleiche ich oft den Zuschauern jenes Seiltänzers, die ihm alles zutrauten, nur wenn sie selbst hineinsitzen sollten nicht mehr.)

In unserem Text taucht eine weitere Verheißung hinsichtlich des Vartrauens auf:

"... denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf"

Es gibt mehrere Deutungen zu diesem Vers:

- die einen erhalten Antwort oder Lösung im Schlaf

- Schlaf hilft über Probleme hinweg. Nicht umsonst heißt es "Schlaf erst einmal darüber!". Anstatt sich in eine Sache hineinzusteigern, sieht manches am nächsten Tag besser aus.

- Gott handelt in der Zeit, in der wir schlafen.

Bsp.: Eigenes Erleben, vor allem dann, wenn man unter Streß steht: Vviele Termine, man überblickt's nicht, weiß nicht wann man alles erledigen soll. Große Hilfe, wenn man alles abgeben kann. Gott regelt's, während wir schlafen, z.B. ein Termin fällt aus, jemand kommt zur Hilfe, eine Sache läuft viel einfacher und schneller als angenommen, ...

6. Eine weitere Hilfe zum Schutz gegen derartige Sorgen. Wir sollen in erster Linie unser ganzes Trachten auf das Reich Gottes richten (Mt. 6,33), das heißt, den Willen Gottes tun (Matth. 6,10). Indem wir uns darauf konzentrieren, den Willen Gottes anzuerkennen und zu befolgen, vertreiben wir unnötige Sorgen. Wir alle wissen, wie sehr die Liebe alles andere verdrängen kann, wie sie uns in unserer Arbeit inspirieren, unser Tun intensivieren, unser Leben läutern und uns völlig beherrschen kann.

Plötzlich werden einem andere Dinge wichtiger, die anderen Sorgen rücken nach hinten. Teilweise kommen auch neue Sorgen, die aber auch Gottes Sorgen sind. Christsein wird nicht unbedingt einfacher, manchmal auch schwieriger.

7. Wir sollen Gott alles anbefehlen, was wir angehen

Martin Luther: "... Laß den Herrn hausbauen und haushalten, greif ihm nicht in sein Werk, ihm gebührt zu sorgen, dir aber nicht. Denn wer der Hausherr ist und haushält, den laß sorgen ..."

Wir kennen das alle: Wenn wir ein Fest oder eine Veranstaltung (oder eine Freizeit) vorbereiten und durchführen, dann müssen wir uns um vieles kümmern. Es ist bedeutend sorgloser, wenn man als Gast zu einem Fest/Veranstaltung kommt.

Wenn wir unsere Dinge, die wir besitzen nur als von Gott geliehen ansehen, sprich Gott der Haushalter ist, die wir ihm einmal wieder zurückgeben, dann kann uns das einiges sorgloser machen (Bsp. Lied von Manfred Siebald, siehe unten)

Martin Luther: "Haushalten soll und muß im Glauben geschehen, dann ist genug da, damit man erkenne, daß es nicht an unserem Tun, sondern an Gottes Segen und Beistand liegt." Unser Leben bekommt erst Sinn, wenn Gott durch uns wirken kann.

7. Sorgen lassen sich auch dadurch vertreiben, wenn wir die Kunst beherrschen lernen, immer nur an das im Augenblick Erforderliche zu denken (Mt. 6, 34), quasi "im heute leben". Man macht sich oft Gedanken über Dinge, die weit voraus liegen. Ein jüdischer Ausspruch besagte: "Mach dir keine Gedanken über das, was morgen Schlimmes sein könnte, denn du weißt ja nicht, was der heutige Tag dir bringen wird. Vielleicht bist du morgen gar nicht mehr am Leben, und sorgst dich um etwas, was dich gar nicht mehr betrifft." Wenn wir jeden Tag hinnehmen, wie er kommt, wenn wir jede Aufgabe meistern, die im Augenblick an uns herantritt, dann muß auch die Summe aller Tage gut sein. Jesus rät uns, den Erfordernissen eines jeden Tages gerecht zu werden, ohne daß wir uns schon jetzt um die ungewisse Zukunft und Dinge, die womöglich nie passieren, Sorgen machen.

Wie lassen sich die Argumente gegen das unnötige Sichsorgen zusammenfassen?

Ich möchte damit keineswegs sagen, daß ich das immer so befolge, ich habe da auch ständig zu lernen, doch gibt uns die Bibel Hilfestellungen und klare Positionen zu diesem Thema.

1. Eine derartige Besorgnis ist unnötig und sogar schädlich. Sorgen berühren das Vergangene nicht; Vergangenes bleibt vergangen. Das heißt nicht, daß wir uns von unserer Vergangenheit lossagen sollen, doch genügt es, wenn wir in ihr eine Triebfeder und einen Wegweiser für besseres Verhalten in der Zukunft sehen, statt etwas, über das wir immer aufs neue nachgrübeln, bis die Grübelei uns schließlich in all unserem Tun völlig lähmt.

Ebenso sinnlos ist es, sich Sorgen wegen der Zukunft zu machen. Als einer der Söhne eines Arztes das Elternhaus verließ, um sich allein hinauszuwagen und das Abenteuer des Lebens zu bestehen, gab der Arzt ihm folgenden guten Rat mit auf den Weg: "Sieh zu, daß du durchhältst und zwar als Gentleman, und vergiß nie, daß die größten Schwierigkeiten, mit denen du fertigwerden mußt, jene sind, die nie eintreffen." Sich um die Zukunft unnötige Sorgen zu machen, heißt Zeit und Kraft verschwenden, denn die Zukunft sieht in Wirklichkeit meistens ganz anders aus, als wir es befürchten. Häufig schadet uns sogar das Sichsorgen: Magengeschwüre und Herzinfarkt sind zwei typische Krankheiten unserer Zeit, die vielfach auf Sorgen und Ängste zurückzuführen sind. Es ist medizinisch erwiesen, daß Menschen, die viel lachen, länger leben. (Sorgen verschleißen den Menschen nicht nur geistig, sondern auch körperlich; sie beeinflussen das Urteilsvermögen, verringern seine Entschlußkraft und führen schließlich dazu, daß er mit dem Leben nicht mehr fertig wird. Wenn wir stets unser Bestes geben - mehr ist nicht möglich dann können wir das übrige getrost Gott überlassen.)

2. Sichsorgen trübt unseren Blick gegenüber dem, was die Natur uns lehrt.Wenn wir uns z.B. die Vögel anzuschauen, erkennen wir, welche Wohltäterin die Natur ist, und lernen, der Liebe zu vertrauen, die dahintersteht. Wenn wir uns ständig sorgen, heißt das, daß wir uns weigern, aus der Geschichte zu lernen. Einer der Psalmisten ermutigt sich selbst, indem er sich an Vorgänge der Geschichte erinnert. "Mein Gott", ruft er, "betrübt ist meine Seele in mir", und dann fährt er fort: "Darum gedenke ich an dich aus dem Land am Jordan und Hermon, vom Berge Misar" (Ps. 42, 7). Als er sich Sorgen gegenüber sah, tröstete er sich mit der Erinnerung an das, was Gott getan hatte. Wer nicht vergißt, was Gott in seiner Vergangenheit für ihn getan hat, wird sich auch um die Zukunft keine Sorgen machen. Wer sich sorgt, weigert sich, zu lernen, was das Leben uns lehrt. Wenn uns jemand gesagt hätte, was uns alles bevorstände im Leben, hätten wir nie geglaubt, daß wir es überstehen würden. Dennoch haben wir es durchgestanden und sind am Leben geblieben. Das Leben lehrt uns, daß wir scheinbar Unerträgliches ertragen, scheinbar Unmögliches tun und über unsere scheinbare Belastungsgrenze hinaus durchzuhalten vermögen.

3. Das Sichsorgen wirdteilweise nicht durch äußere Verhältnisse verursacht, denn unter den gleichen äußeren Bedingungen bleibt der eine völlig heiter und gelassen, während der andere sich zu Tode ängstigt und sorgt. Angst und Friede sind Sache des menschlichen Herzens, nicht in erster Linie der äußeren Umstände, in denen der Mensch lebt. Der Mystiker Johannes Tauler (gest. 1361) begegnete eines Tages einem Bettler, der auf seine Worte: "Gott schenke dir einen guten Tag, mein Freund", erwiderte: "Gott sei Dank, daß ich nie einen schlechten erlebt habe." Darauf sagte Tauler: "Gott schenke dir ein glückliches Leben." Gott sei Dank", sagte der Bettler, daß ich noch nie unglücklich war." Erstaunt fragte Tauler: "Was willst du damit sagen?" "Nun", sagte der Bettler, "wenn das Wetter gut ist, danke ich Gott dafür; wenn es regnet, danke ich Gott dafür; wenn ich genug habe, danke ich Gott dafür; wenn ich hungrig bin, danke ich Gott dafür; und da Gottes Wille auch mein Wille ist, da, was ihm gefällt, auch mir gefällt, weshalb sollte ich dann also behaupten, ich sei unglücklich, wenn es doch nicht zutrifft?" Verwundert blickte Tauler den Mann an. "Wer bist du?" fragte er. "Ich bin ein König", sagte der Bettler. "Wo ist denn dein Königreich?" fragte Tauler. Darauf erwiderte der Bettler ruhig: "In meinem Herzen."

 

 

Lied von Manfred Siebald:

Was wir so fest in Händen halten, das ist uns alles nur von Gott geliehn. Wir dürfen es verwalten; wir dürfen es gestalten und geben es zurück an ihn.

Das Leben sieht ganz anders aus, wenn wir mit Gottes Augen sehn. Wir lernen anders mit der Welt und mit uns selber umzugehn.