Lukas 12, 22-34

 

 

Spricht Jesus hier (V. 22) nicht gerade die elementarsten Lebensbereiche an?

Sind wir nicht täglich mit dem Essen und Kleidung konfrontiert?

Wir essen dreimal täglich, auf Festen zusätzlich usw.

Jeden Tag müssen wir uns kleiden - unterschiedlich für Beruf, Freizeit, Hausarbeit, Gemeinde, Hobby, ...

Dann spricht Jesus noch einen zentralen Bereich an (V. 25): Wenn es darum geht, unser Leben zu verlängern. Aber unternehmen wir nicht gerade in diesem Bereich sehr viel? Wir überlegen uns eine gesunde Ernährungsweise, die richtige Dosis Bewegung oder Sport, um den Körper fit zu halten, es gibt Ernährungswissenschaften und die Medizin ist weit fortgeschritten in ihren Erkenntnissen, das Leben zu verlängern.

Dann spricht Jesus nochmals vom Essen und Trinken (V. 29) und sagt dazu, daß nach solchem allem die Heiden trachten. Dürfen wir uns als Christen nicht um Essen und Trinken kümmern?

Bsp. Mann kommt nach Hause nach der Arbeit, freut sich auf das Abendessen, doch nichts ist vorbereitet. Auf die Frage, ob es heute kein Essen gebe, die Antwort V.22+23.

Ist das das, was Jesus sagen möchte? Weshalb spricht er gerade die notwendigsten Punkte unseres Lebens an? Ohne Essen, Trinken und Kleidung kann doch niemand überleben! Ohne Wohnung notfalls noch. Aber ohne Essen, Trinken und Kleidung würden wir verhungern, verdursten oder erfrieren (abgesehen von der moralischen Anstößigkeit).

Warum sagt Jesus, daß wir uns um diese Dinge nicht sorgen sollen? Sollen wir ab morgen alle in Lumpen herumlaufen und uns von den Inhalten der ausgestellten Mülltonnen ernähren?

Wenn wir uns Jesu Leben anschauen, erkennen wir sehr schnell, daß er das nicht gemeint haben kann. Er ließ sich zum Essen einladen, nahm an Festen teil, organisierte das letzte Passahmal für seine Jünger und versorgte fünftausend Zuhörer mit dem nötigen Essen.

Bei der Hochzeit zu Kana verwandelte er Wasser zu Wein. Möglicherweise zog er den edlen Tropfen dem normalen Wasser auch vor.

Und in einem Gleichnis, wo ein Hochzeitsgast in alten Kleidern erscheint, befiehlt er, ihn hinauszuwerfen.

Das Wort "sorget euch nicht um" in unserem Text bedeutet nicht "kümmert euch nicht um" sondern heißt "macht euch keine Sorgen um". Wir dürfen und sollen uns sehr wohl um unsere alltäglichen Pflichten kümmern und damit auch unserer Verantwortung und den gesellschaftlichen Pflichten nachkommen. Worauf Jesus Wert legt, ist daß wir uns in diesen alltäglichen Dingen, die uns unweigerlich jeden Tag begegnen, unnötige Sorgen machen.

Unsere Sorge besteht sicherlich nicht in der Frage, ob wir grundsätzlich etwas zu essen bekommen oder etwas zum Anziehen haben. Für die Menschen damals war das sicherlich noch eine andere Situation. Aufgrund ihrer finanziellen Lage war es eben nicht zwangsläufig gewährleistet, ob ausreichend Essen oder Kleidung am nächsten Tag vorhanden ist.

Wenn ich bei mir so überlege, dann trifft das vielleicht eher bei einem Fest zu, das man vorbereitet: Reicht das Essen mengenmäßig aus? Habe ich auch nichts vergessen einzukaufen? Brennt auch nichts an? Gelingt alles? Ist auch nichts zu versalzen? Ist alles fertig, wenn die Gäste eintreffen? Und kommt das Essen auch warm auf den Tisch?

Und mit der Kleidung betrifft uns das eher, wenn wir beispielsweise auf ein Fest gehen: Ist die Kleidung auch angemessen? Sind keine Flecken oder Falten drin? Passen die Kleidungsstücke farblich zusammen? Entsprechen sie der Mode? Hat auch niemand anderes dasselbe Kleid an?

Wenn es in V. 30 heißt: "Nach solchem allen trachten die Heiden" dann liegt hier sicherlich der Schwerpunkt auf dem Wort "trachten". Das heißt, sie streben danach. Dies besitzt in ihrem Leben eine sehr hohe Priorität. Und wenn Jesus dann in V. 31 sagt "Trachtet vielmehr nach seinem Reich", so schließt das das Kümmern um Nahrung nicht aus, sondern drückt eine Prioritätenfrage aus: Das Trachten nach dem Reich Gottes soll unsere höchste Priorität einnehmen. Unsere Lebensausrichtung soll in erster Linie Gott gelten.

V. 31 stellt eine Verheißung dar. Die Bedingung ist der erste Teil des Verses. Die Verheißung im zweiten Teil des Verses kommt denen zu, die den ersten Teil in ihrem Leben praktizieren. Ich denke, wenn er nur pro forma in unserem Leben dasteht, können wir auch nicht zwangsläufig mit der Erfüllung der Verheißung rechnen. Muß es allerdings auch nicht ausschließen, denn Gott ist oft so gut zu uns und beschenkt uns, auch dann wenn wir's gar nicht verdient hätten.

Aber es gibt Beispiele, die dies wirklich hautnah erlebt haben. Ich denke da an Hudson Taylor. Er rief die Menschen nie zu Spenden auf. Lebte immer am untersten Level. Und doch bekam er immer zur rechten Zeit, was er benötigte.

Nun müssen wir sicher nicht alle Missionare oder Hauptamtliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter sein, um "nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit zu trachten". Es gibt auch viele Möglichkeiten in unserem alltäglichen Leben, wo wir das praktizieren können. Und ich denke, daß die Erfüllung der Verheißung auch nicht immer so spektakulär ausfallen muß, wie bei Hudson Taylor, da er ja wirklich nichts hatte, vovon er seinen Unterhalt hätte bestreiten können. Ich denke viel eher, daß uns häufig einfach der Blick dafür fehlt, wie Gott uns Nahrung und Kleidung "einfach zufallen" läßt.

Nun haben wir noch V. 25: Genausowenig wie Jesus etwas dagegen hat, wenn wir uns um Nahrung und Kleidung kümmern, hat er bestimmt nichts dagegen, wenn wir verantwortungsvoll mit unserer Gesundheit und unserem Körper umgehen und nicht ruinieren (Tempel des Heiligen Geistes).

Doch wehrt sich Jesus gegen dieses Streben, durch die verschiedensten Maßnahmen, mit dem Ziel, sein Leben verlängern zu wollen. Gerade dadurch entstehen dann Abhängigkeiten und Sorgen, die sich aber wieder negativ auf das Wohlbefinden des Menschen auswirken (z.B. Ängste um Erdstrahlen).

Es gibt soviele Faktoren, die wir nicht beeinflussen können, die aber unserem Leben ein plötzliches Ende setzen können, trotz aller lebensverlängernden Maßnahmen, z.B. Unfall, Herzinfarkt, unheilbare Krankheit, die jeden treffen kann...

 

V. 34: Jetzt kommt Jesus mit noch so einer radikalen Forderung. In Matth. 19,21 spricht Jesus zum reichen Jüngling sogar: "Willst du vollkommen sein, so gehe hin und verkaufe, was du hast und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben."

Bedeutet das, daß wenn wir jetzt nach Hause gehen, wir alle unsere Häuser oder Wohnungen, unsere Autos, unsere Grundstücke, unsere Möbel, unsere Einrichtungsgegenstände verkaufen, unsere Sparbücher auflösen sollen und unter den Armen in dieser Welt, von denen es mit Sicherheit genügend gibt, verteilen sollen?

Einen bedeutenden Mann in der Geschichte hat dieser Vers persönlich angesprochen, und er hat ihn radikal in seinem Leben umgesetzt: Franz von Assisi oder auch Franziskus genannt.

Franziskus wuchs in einer sehr reichen Familie auf. Als ihn dieser obige Vers traf, verstand er ihn als sein Lebensmotto. Er las daraus, daß dies Jesu Wille für unser Leben sei, in Armut zu leben, zumal Jesus auch in seinem Leben arm war ("er hatte nichts, wo er sein Haupt hinlegen konnte") und sich sehr um die Armen gekümmert hat. Er sah darin einen neuen Aufbruch in der Kirche, diese Vollkommenheit zu erlangen, indem er in Armut lebte und sich um Arme und Kranke kümmerte.

Franziskus schwor jedem Besitz ab und verlangte von seinen Glaubensbrüdern absolute Besitzlosigkeit. Wer dem zuwiderhandelte, wurde hart bestraft. Ihren Lebensunterhalt bestritten sie durch Arbeit oder Betteln. Franziskus trieb es so radikal, daß er selber extrem wenig aß und trank.

Ist Franziskus' Beispiel das, was Jesus in V. 33 von uns fordert?

Man kann hier sicherlich unterschiedlicher Auffassung sein. Wäre heute ein Franziskaner unter uns, würde er diese Frage wahrscheinlich bejahen.

Mein Gedanke ist folgender: Eine Welt, auf der es nur Christen gäbe, müßte auch existieren können. Denn sonst hätte Gott etwas falsch gemacht. Denn er möchte ja, daß alle Menschen gerettet werden. Wenn wir aber nur überleben könnten, weil es auch Nichtchristen gibt, würde sich dies widersprechen.

Was möchte ich damit sagen: Wenn Franziskus' Ideal sich mit dem decken würde, was Jesus von uns möchte, dann könnte die Welt nicht existieren: Denn in einer Welt, in der es überwiegend Bettler gibt, muß es auch Menschen geben, die Almosen geben. In einer Welt, in der es nur Besitzlose gibt, gäbe es keine Wohnungen, denn es gäbe ja niemanden, der ein Haus besäße. - Genausowenig könnte es in einer Welt von Christen nur Hauptamtliche geben - so wichtig ihr Dienst auch ist - aber es muß immer auch Menschen geben, die diese mit ihren Spenden unsterstützen können.

Es kommt auch nirgends in der Bibel zum Ausdruck, daß Besitz von Jesus verachtet wäre. Die Armut stellt in der Bibel - im Gegensatz zu Franziskus' Auffassung - kein Wert an sich dar, den es als Glaubender zu erstreben gälte. So wie z.B. die Ehrlichkeit, Treue, Liebe, Barmherzigkeit, Geduld, was uns in unserem Glaubensleben vorwärtsbringt, wenn wir sie erlangen. Die Armut gehört nicht dazu (Paulus sagt einmal: ich kann beides, reich sein und arm sein). Die Armut birgt Chancen und Gefahren. Dennoch, wenn sie einen ereilt, muß man lernen, mit ihr in rechter Weise umzugehen, genauso wie man es mit dem Reichtum muß. Was Jesus möchte, ist daß wir uns derer annehmen, die - verschuldet oder unverschuldet - von der Armut betroffen sind, und ihnen helfen, ihre Not zu lindern oder zu beseitigen.

Diese Verse vom "Verkaufen" muß man daher situationsbezogen sehen: Bei dem reichen Jüngling stand ihm sein Reichtum im Weg, das ewige Leben zu erlangen. Daher fordert Jesus ihn auf, seinen ganzen Besitz zu verkaufen und herzugeben. Denn aus der Gesamtschau ist es für diesen jungen Mann wertvoller, das ewige Leben zu erlangen, als große Materielle Güter zu besitzen. Wenn er also durch den Verkauf seiner Habe zum ewigen Leben gelangen würde, wäre er insgesamt reicher und besser dran.

Hier bei den Jüngern war es einfach dran. Sie zogen umher mit und wie Jesus, und Jesus wollte, daß sie keinen Besitz haben und dennoch erleben dürfen, wie sie keinen Mangel leiden müssen. Er fragte seine Jünger später auch einmal: "Sooft ich euch ausgesandt habe ohne Beutel, ohne Tasche und ohne Schuhe, habt ihr je Mangel gehabt? Sie sprachen: Nie"

Ich denke, daß es auch heute für einzelne dran sein kann, Dinge aufzugeben (Zuhause, Verwandtschaft, Beruf, Gemeinde, ...), um für Jesus unterwegs zu sein. Aber sicherlich ist das nicht eine generelle Beauftragung für die Christen.

Worauf es Jesus ankommt ist folgendes: "Macht euch Beutel, die nicht veralten, einen Schatz, der nimmer abnimmt, im Himmel, wo kein Dieb zukommt und den keine Motten fressen."

Legt mehr Wert auf die Dinge, die Ewigkeitscharakter haben, die ihr mit hinübernehmen könnt, als auf die Dinge, die ihr hier auf Erden habt.

Dennoch dürfen wir uns an den Dingen freuen, die Gott uns hier auf dieser Erde schenkt. Weshalb hätte er sonst die Pflanzen- und Tierwelt in einer solchen Vielfalt und Farbenpracht erschaffen, wenn wir nicht auch unsere Freude daran haben dürften. Aber auch hier geht es wieder um die Prioritätenfrage.

Manfred Siebald singt in einem Lied "Was wir so fest in Händen halten, das ist uns alles nur von Gott geliehen". Ich denke, wenn uns diesen Sachverhalt immer wieder in Erinnerung rufen, kann es uns helfen, die rechte Haltung zu unserem Besitz zu wahren. Aber letztlich müssen wir uns - wie Jesus es ausdrückt - uns bewußt sein, daß alle materiellen Güter nur zeitlich begrenzt halten, kaputt gehen, rosten oder gestohlen werden können.

"Das Leichenhemd hat keine Taschen" (Spanisches Sprichwort). Wir können nichts von dem mit hinübernehmen.

Was sind nun die Schätze, die nicht veralten, die nicht abnehmen? Schätze im Himmel, wo kein Dieb zukommt und keine Motten sie fressen? Ist es eine Art Punktekonto, das wir bei Gott erwerben für jede gute Tat, die wir vollbringen?

Doch das hört sich wieder so nach Werkgerechtigkeit an, als ob wir durch gute Taten uns den Himmel verdienen könnten. Das ist sicherlich nicht damit gemeint.

Doch spricht die Bibel aber auch unmißverständlich davon, daß es im Himmel auch mal eine Art Belohnung für das geben wird, was wir auf Erden für Gott getan haben (z.B. Gleichnis von den anvertrauten Pfunden, 1. Kor. 3, 12-15, 2. Kor. 5, 9-10). Kein Kriterium also für die Seligkeit, aber ein Bonbon für das was wir für Gott in unserem Leben eingebracht haben.

"Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein". Ist das nicht ein schöner Gedanke: Wenn unser Schatz im Himmel verborgen ist, dann ist auch unser Herz bei Gott!