L Lk 19, 28 + 35-40
Palmsonntag – wir werden heute Zuschauer einer Demo (nicht für Arbeitsplätze oder gegen einen Krieg) für Jesus (= Jesus-Marsch). Jesus kommt nach Jerusalem und das Volk bereitet ihm einen großartigen Empfang. ® „Jünger“ sind nicht die Zwölf, sondern alle, die ihm nachfolgten – aus verschiedenen Gründen = Fans.
Eine bunte Menge von Menschen legt ihre Kleider auf den Boden (Obergewänder = gr. Tücher = „roter Teppich“). Da stehen sie alle nebeneinander und ihre Kleider liegen nebeneinander im Staub: die schönen rot-goldenen Gewänder der Reichen neben dem dreckigen, kratzigen Schafwolltuch des Hirten, das elegante indische Seidentuch der Kaufmannsgattin neben dem geflickten, grauen Lumpen des Bettlers.
Und alle jubeln Jesus zu: „Jesus, Jesus ... du bist König ... du kommst im Namen Gottes ...“
Warum machen die Leute einen „Jesus-Marsch“?
Sie merken, dass jemand Besonderes kommt. Sie spüren: nichts ist an diesem Tag zufällig – alles ist ein Teil des großen Drehbuchs, das Gott geschrieben hatte: Jesus reitet auf einem Esel, wie der Prophet Sacharja vorhergesagt hatte (Könige kamen auf Pferden und Kriegswägen!). Und Jesus kommt vom Ölberg – auch das gemäß der Prophetie (die Israeliten erwarteten, dass der Messias vom Ölberg kommt.) Und Jesus hatte seine Vollmacht bewiesen: Kranke geheilt und kurz zuvor sogar einen Toten aufgeweckt: seinen Freund Lazarus, nachdem er vier Tage lang tot war.
Das beeindruckt die Menschen – und das zieht sie an. Jesus – das ist ein große Sache! Es ist immer gut, zu einer großen Sache zu gehören. Das war damals so und das ist heute so: wir Menschen wollen zu einer großen Sache gehören. Dann kann man vergessen, dass man selbst begrenzt ist, dass man nicht so stark ist, wie man gerne wäre. Für eine große Sache kann man begeistert sein!
Mit was beschäftigen wir uns denn, was bewegt unser Herz wirklich, was begeistert mich? Doch nicht die trockenen Sicherungen, die wir in unser Leben einbauen: die Lebensversicherung bei der Allianz oder der Airbag im Auto – ich habe noch nie jemand darüber schwärmen hören (obwohl die vielleicht wirklich mal ganz wichtig für uns sind). Es sind ganz andere Dinge, für die Menschen schwärmen. Der eine ...
Sport: Er geht am Samstag mit 50.000 anderen zum VfB. Warum ist er so glücklich, wenn der VfB gewinnt? Warum ist es wie eine persönliche Niederlage für ihn, wenn der VfB verliert? Weil er dazu gehört, er ist Teil einer großen Sache!
Filme: Sie fühlt sich als Teil der Fortsetzungs-Serie, die jeden Abend im Fernsehen läuft. Sie kennt die Leute – die einen liebt sie, die anderen hasst sie – und sie darf keine Folge versäumen, weil sonst ein Tag im Leben fehlt. Sie gehört dazu.
Geschäft: Es ist toll, zu einer Firma zu gehören – ein Wir-Gefühl, Stärke, Erfolg. Dafür kann man etwas einsetzen. Darum ist es so schlimm, arbeitslos zu werden. Plötzlich bin ich alleine. Ich gehöre nicht mehr dazu!
Liebe: Mein Gefühl sagt mir: irgendwo in dieser Welt wartet ein Mensch auf mich, der einsam ist und der mich mehr liebt, als alle anderen Menschen – der mich liebt, so wie ich bin und mit dem mein Leben ein einziges romantisches Abenteuer wird. Suchen manche von uns nicht deshalb immer wieder nach der großen Liebe? Vielleicht ist meine jetzige Beziehung wirklich gut – aber da gibt es das Gefühl, dass noch eine ganz große Sache auf mich wartet, die ich finden muss, um wirklich glücklich zu sein.
Die Suche nach der großen Sache, zu der ich dazugehöre – das hat die Menschen damals bewegt, und das bewegt uns heute noch. Das war der Grund, warum sie damals gekommen sind zu Jesus. Und warum sie ihre Kleider geopfert haben.
Und auf der anderen Seite standen die Pharisäer. Die haben auch eine große Sache, ihre eigene Sache. Und jetzt merken sie: Die Leute laufen uns weg. Dieser Jesus kommt besser an als wir, er ist sympathischer, er kann die Menschen besser beeinflussen – und er bietet mehr. Und außerdem rufen die Leute Jesus zu: „Du bist der Messias, der Gesalbte, der König.“ Das ist der Hammer, das passt den Pharisäern überhaupt nicht – und weil sie ja selbst die mächtigen religiösen Führer sind befehlen sie Jesus: „Weise die Leute zurecht, bringe sie zur Vernunft, verbiete ihnen, dich ‚Messias’ zu nennen – schicke sie heim!“
Haben sie nicht eigentlich Recht? Was damals abging, als Jesus nach Jerusalem ging, als die Menschen zu Hunderten und Tausenden kamen und jubelten: das war doch nicht wirklich echt! Die Leute kamen doch vor allem, weil mal was los war – und weil sie das nicht versäumen wollten. Dass die nicht wirklich zu Jesus gehalten haben, das hat man doch schon 5 Tage später gemerkt, als Pilatus gerufen hat: „Was soll ich mit Jesus machen?“ ® „Kreuzige ihn!“ So schnell wird aus einem Fan ein Feind – so schnell wird aus einem Liebhaber ein Hasser! (Bsp: Das ist so schlimm – und doch können wir da nicht raus: Paare in der Krise – kurz davor waren sie noch untrennbar: „Ich werde dich nie verlassen!“ – und dann: „Du hast mich so enttäuscht!“). Die Leute haben viel von Jesus erwartet: dass er König wird, dass er das Volk befreit, dass er den Hunger beseitigt und die Krankheit – da wollten sie dabei sein (und da wären wir auch gerne dabei!). Doch einige Tage später haben sie schon gemerkt, dass Jesus nicht tut, was sie erwarten.
Die Pharisäer haben eigentlich Recht, wenn sie Jesus auffordern: „Hallo, mach’ dem Theater hier ein Ende. Schicke die Leute heim! Sie verlassen dich sowieso bald. Schau sie doch an – wir kennen die doch!“
Der da ganz vorne, mit dem großen Palmzweig, der so begeistert ruft „Gepriesen sei Jesus, gepriesen sei der Herr“ – das ist doch Thomas. Den kennen die Pharisäer gut. Schon als kleiner Junge saß er immer in der ersten Reihe im Gottesdienst. Immer treu und zuverlässig, immer hat er versucht, die Gebote zu halten. Aber ganz innen, in seinem Herzen, ist eine große Unsicherheit: Nimmt Gott mich an? Liebt er mich wirklich? Und als damals seine Mutter gestorben ist, hat er monatelang den Tempel nicht besucht, weil er an Gott gezweifelt hat. Thomas – außen begeistert für Gott – innen ein Zweifler. Und wenn’s gefährlich wird, haut er ab. Solche Leute sind es, die Jesus hier versammelt hat, denken die Pharisäer verächtlich.
Niko: (eigentlich Nikodemus) Er hat jahrelang die jüdische Thora studiert– und auch die jüdische Mystik: er hat es gelernt, geheime Zahlen und Symbole zu deuten. Er kennt die Zauberkräfte aus den östlichen Ländern. Ein Experte für Religionen, für Zauberei, für Esoterik. Er hat mit Jesus diskutiert und das hat ihn beeindruckt, aber das kommt ihm alles ein bisschen zu einfach vor, was Jesus erzählt: „Wer an mich glaubt, der wird gerettet.“ Das ist zu billig! Was ist mit der Re-Inkarnation, mit der Seelenwanderung, mit den spirituellen Erfahrungen der Wahrsager im Osten, mit den Sterndeutern und Horoskopen? Das muss man doch ernst nehmen! Jesus hat echt gute Gedanken, eine gute Lehre, von der man viel übernehmen kann. Aber Niko hat seine Antwort gefunden. Man muss die Dinge zusammen nehmen – an allem ist was dran: Esoterik, Wahrsager, tibetische Mönche, afrikanische Schamanen und Jesus. Alles zusammen ist die Wahrheit – so denkt Niko. Deshalb legt auch Niko sein weites Übergewand auf den schmutzigen Weg, der nach Jerusalem führt. Denn Jesus ist zweifellos ein großer Lehrer, dem kann man schon mal ein wenig Ehre erweisen.
Patricia: Eine frühere Kollegin vom Jünger Matthäus, als Matthäus noch ein Zöllner war, ein Ausbeuter. Früher hat sie M. bewundert – ja, da war auch mal was zwischen den beiden. Aber als M. Jesus nachgefolgt ist, hat Patricia ihn dafür verachtet. Sie kann nichts anfangen mit diesem „Jesus-Kram“: Liebet eure Feinde; wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt, halte ihm auch die linke hin ... Das ist nicht ihre Welt, das sind Schwächlinge! Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott – das ist ihr Lebensmotto. Die Starken fressen die Schwachen (das hat sie erlebt) – darum will sie zu den Starken gehören! Und zu den Reichen. Aber vielleicht kann man ja irgendwie profitieren von Jesus (schließlich hat er den toten Lazarus aufgeweckt) – und darum ist sie gekommen an diesem Sonntagnachmittag und hat auch ihr teures Seidentuch, das sie sich auf Damaskus besorgt hat, auf den staubigen Weg gelegt.
„Sag ihnen, sie sollen ruhig sein!“, rufen die Pharisäer. Und was tut Jesus?
Er schaut die Menschen an, Patricia, Niko, Thomas – und er hat sie lieb. Es sind lauter wertvolle Menschen! Er sieht, dass sie zu einer großen Sache gehören wollen – und dass jeder von ihnen woanders sucht. Und Jesus denkt:
Ihr habt Recht, viel mehr recht, als ihr das jetzt erkennt! Heute ist eine große Sache. Ich bin der Messias. Ich ziehe heute ein in Jerusalem, in die Stadt Gottes. Ich trete heute meinen letzten Weg an, und ich weiß, dass er am Kreuz enden wird. Ich ziehe ein wie ein König – und in wenigen Tagen werde ich diese Stadt verlassen wie ein Verbrecher: geschlagen, blutig, verachtet und zum Tode verurteilt. Ich werde sterben am Kreuz – aber am Kreuz, wo der größte Kampf meines Lebens stattfindet, dort werde ich den größten Sieg erringen. Dort werde ich die Schuld der ganzen Welt tragen und werde den Teufel besiegen und den Tod besiegen.
Jesus sieht diese Menschen an und denkt:
Wenn ihr zu mir gehört, dann gehört ihr zur größten Sache der ganzen Welt. Diese Sache hat vor Millionen Jahren begonnen, als mein Vater das Weltall geschaffen hat. Und schon damals hatte der Vater euch geplant und geliebt und er wollte, dass ihr dazu gehört: ihr drei und ihr anderen hier. Diese große Sache wird nie aufhören – und bisher habt ihr nur einen ganz kleinen Teil davon gesehen.
Wir müssen die Botschaft von diesem Palmsonntag verstehen: Jesus hat niemanden fortgeschickt, egal woher er kam und wie er war. Denn Jesus wollte sie alle erreichen, begeistern, gewinnen für die Liebe Gottes. Deshalb hat er niemanden fortgeschickt. Das war seine Mission, sein Auftrag, sein Leben: nicht Menschen zu verurteilen, sondern Menschen einzuladen.
Das hat er durchgehalten bis zum Ende. Bis zum Kreuz. Auch am Kreuz gab es noch Menschen, rechts und links von ihm, auf Augenhöhe. Da hängt ein Schwerverbrecher. Zu Recht, wie er selbst zugibt: ein Mörder, Blut klebt an seinen Händen: nicht nur sein eigenes, sondern das der Menschen, die er umgebracht hat. Vielleicht hat er in seinem ganzen Leben nichts Gutes getan. Aber in seiner letzten Stunde wendet er sein Gesicht Jesus zu, er setzt sein Vertrauen auf Jesus (der genauso hilflos wie er selbst sterbend am Kreuz hängt) und bittet ihn um eine Sache: Denke an mich, wenn du in mein Königreich kommst. Und Jesus sagt: Ich verspreche dir eine große Sache – die größte deines Lebens: du wirst mit mir im Paradies sein!
Und was ist der Preis? Was kostet das Ganze? Jede große Sache kostet ihren Preis. Da steht vielleicht ein Mann, der sein bestes Gewand anhatte für die Reise nach Jerusalem. Und nachdem Jesus vorübergezogen ist, hebt er es wieder auf: Schlimm ist es zugerichtet von Staub und Dreck, von Huftritten und Schuhen, die darüber gelaufen sind. „Was wird meine Frau sagen, wenn ich es nach Hause bringe? – Nun, das soll heute egal sein. Jesus ist es wert, dass ich mein Sonntagsgewand schmutzig mache.“ Und dann geht er davon mit der Überzeugung, ein großes Opfer für Jesus gebracht zu haben.
Aber Jesus ist der Herr und er will mehr, als nur einen kleinen Teil von uns. Deshalb sagt Jesus einmal: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.“ Hier weist Jesus darauf hin, dass es einen hohen Preis kostet, ihm nachzufolgen, dass Verzicht und Leid dazugehören.
Aber heute wollen wir die Einladung hören. Denn Palmsonntag ist eine Einladung von Gott an Patricia, an Niko, an Thomas – und an uns: Willst du zu der großen Sache Gottes gehören? Zu einer wirklich großen Sache! Dann suche nicht woanders – suche bei Jesus. Laufe nicht anderen großen Dingen nach, die auf Dauer nichts bringen. Investiere nicht woanders, investiere dein Leben bei Jesus.
Vielleicht bist du wie Patricia: Du findest das religiöse Zeug eigentlich zum Kotzen und wolltest nie so werden. Aber du merkst, dass die anderen Sachen, denen du dich hingibst, nicht so groß und befriedigend sind, wie du eigentlich gehofft hast. Und du hast das Gefühl, dass du es mal mit Gott versuchen solltest. Jesus sagt dir heute: Mach mit, und die wirst sehen: meine Sache ist wirklich groß!
Vielleicht bist du wie Niko: Du meinst, es gibt viele gute und große Ideen und Religionen auf dieser Welt und warum soll man sich nur auf eines beschränken? Jesus ist ok, aber das kann doch nicht alles sein!? ® Das akzeptiert Jesus nicht! Bei ihm gibt es keine Mischungen. Entweder Jesus ganz – oder gar nicht. Er lädt dich ein – aber dann tu’s ganz. Und nicht halb.
Vielleicht bist du wie Thomas: Du glaubst schon lange an Gott, du kennst Jesus, du kommst zur Gemeinde. Aber tief in dir drin ist ein Zweifel: Ist das wirklich alles wahr? Ich verstehe Gott oft nicht und dann weiß ich nicht, ob er mich wirklich liebt ... ® Wir müssen Jesus nicht verstehen, aber er versteht uns. Er liebt dich, trotz deiner Zweifel und Fragen. Er ist für dich gestorben, auch wenn du es manchmal nicht glauben kannst. Am Palmsonntag lädt Jesus auch dich ein, dass du dich freust und dass du dich an ihm freust, dass du singst und tanzt – und die Freude, die von Gott kommt, soll die Zweifel wegwischen.
Und das möchte Jesus dir heute bestätigen: du bist auf dem richtigen Weg. Du hast die richtige Wahl getroffen, du wirst am Ende nicht enttäuscht werden. Jede Stunde, jeder Anstrengung, jeden Euro, jeden Schweißtropfen für Jesus hast du richtig investiert. Und alles was du gegeben hast, wirst du vielfach zurückbekommen von Gott.
Egal, wem du entsprichst – Jesus hat keinen fortgeschickt. Er lädt alle ein, zu der ganz großen Sache zu gehören: zu Gott, zu seinem Reich, seiner Welt, seiner Familie.