Im Glauben wachsen I

Die Bibel ist voller Wunder – aber warum erleben wir so selten welche? Warum glauben wir so viel und sehen so wenig? Warum hat noch keiner von uns einen Toten auferstehen sehen? Warum werden Kranke oft nicht durch Gebet geheilt? Der Grund:

Wir Deutsche sind ein Volk, das Sicherheit sucht. Wir wollen die Dinge kontrollieren. Wir versuchen, alles zu regeln: kein Land der Welt hat so viele Gesetze wie wir Deutschen. Wir wollen wissen, wo ein Weg hinführt, bevor wir uns auf den Weg machen. Wir wollen wissen, wie etwas ausgeht, bevor wir anfangen, etwas zu tun. Während Menschen in anderen Ländern ihr Geld in Aktien anlegen, legen wir Deutsche es aufs Sparbuch: damit man weiß, was es nächstes Jahr noch wert ist. Oder wir bauen ein Haus: das kann uns niemand mehr nehmen - und wir wissen, wo wir bis zur Ende unseres Lebens wohnen: dort, wo unser Haus steht. In allen europäischen Ländern geben die Leute ihr Geld aus (zur Freude der Wirtschaft) – aber in Deutschland wird gespart. Nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst. Weil in diesen Jahren unsere Sicherheit in Frage gestellt wird – und das macht uns Deutschen Angst. Wir sind ein Volk voller Angst, sobald unsere Sicherheiten angetastet werden.

Ich bin auch ein Deutscher und ich weiß, von was ich rede. Sicherheit und Gewissheit – das ist nicht schlecht – das hat seine Vorteile! Aber auch sein Nachteile. Denn die Sicherheit, die uns so wichtig ist, die ist in Wirklichkeit nicht nötig, um ein erfülltes Leben zu führen. Sie kann sogar zum größten Hindernis unseres Christseins werden und die entscheidenden Begegnungen mit Gott verhindern, die entscheidenden Erfahrungen unseres Glaubens.

Levi  - der Tag, der sein Leben änderte

 (Mk 2, 13 ff | Lk 5,27 ff)

Da war ein Mann – vielleicht war es ein Deutscher, oder wahrscheinlich hatte er deutsche Großeltern (obwohl es damals noch gar keine Deutschen gab) – jedenfalls hatte er sein Leben mit deutscher Gründlichkeit eingerichtet: Beamter auf Lebenszeit (Zollbeamter) und damit ein sicheres Einkommen. Gute Verbindungen zu Menschen in gehobenen Positionen. Haus Hund. „Ein Leben in Sicherheit, in trockenen Tüchern.“

Der Tag, an dem sich sein Leben änderte: Jesus kam an seinem Büro vorbei, schaute ihn an und sagte: „Levi, komm mit mir!“ Und jetzt geht die Diskussion los im Kopf von Levi: „Ich bin Beamter, ich bin zuverlässig, ich habe eine wichtige Aufgabe. Ich habe mein Leben eingerichtet. Ich habe ein Büro, sitze hier mit Anzug und Krawatte - und jetzt kommt ein Wanderprediger und ruft mich. Was denkt der eigentlich? Wenn ich mit dem mitgehe, verliere ich meinen Ruf, mein Ansehen. Ich kriege ein Verfahren wegen Dienstverweigerung und Untreue. Ich verliere wahrscheinlich meinen Job. Ich verliere meine guten Kontakte, ich verliere mein Geld, mein Hause – und den Hund. Was kann er mir bieten? Wohnung, Geld, Sicherheit? Nichts davon. Ich bin nicht verrückt – ich bleibe hier. Ohne garantierte Zukunft geht bei mir gar nichts!“ Levi hat Recht – wir würden ihm auch Recht geben, oder?

Aber Levi hat einen heiligen Moment erlebt: einen Moment, in dem Gott zu ihm gesprochen hat. Für jeden von uns gibt er immer wieder solche heiligen Momente: in denen Gott redet, ruft, neue Ideen gibt, neue Visionen. Wir müssen uns eines klar machen: Wenn wir warten, bis alles in unserem Leben zusammenpasst und bis alle Sicherheiten da sind – wenn wir so lange warten und erst dann bereit sind, aufzustehen und Gott zu folgen, dann werden wir nie aufstehen. Dann werden wir immer wieder die entscheidenden Gelegenheiten verpassen! Wir alle wollen Gott erleben – wir wollen seine Führung, ein Leben, in dem Jesus voraus geht und wir ihm folgen. Und gleichzeitig verbringen wir den Großteil unseres Lebens damit, solche Situationen zu vermeiden. Wir müssen verstehen: Wenn Gott uns ruft, gibt es keine Sicherheit!

Jesus hat Levi gerufen – was tut er? Er kämpft mit sich – und dann trifft er eine Entscheidung, die sein Leben verändert: Er steht auf und geht. Er wird nie mehr sein Zollbüro betreten! Er wird einer der Jünger von Jesus – wird dann Matthäus genannt. Das Alte ist vergangen. Am Abend macht er noch ein großes Abschiedsfest, lädt seine Kollegen vom Zoll ein. Dann wissen es alle – und von nun an geht er mit Jesus.

F: Was würden wir tun, was würdest du tun – wenn Jesus (so!) ruft? Was würdest du aufgeben? Beruf? Heimat? Freiheit? Gesundheit?

Levi spürte, dass Jesus vertrauenswürdig ist – und er merkte sofort, dass ein Leben mit Gott bedeutet, ein Leben voller Unsicherheiten zu akzeptieren. Du hast richtig gehört: Unsicherheit! Doch, es gibt auch Sicherheit bei Gott – es gibt Dinge, die er uns versprochen hat: dass wir ewiges Leben haben und dass niemand uns von seiner Liebe scheiden kann – und dass wir ein sinnvolles und erfülltes Leben haben. Darüber können wir ganz sicher sein.

Aber das, was wir unter Sicherheit verstehen: Wohlstand, Gesundheit, eine glückliche Ehe, einen sicheren Arbeitsplatz, Ansehen, Erfolg, ein Haus und ein Auto – dafür gibt es keine Sicherheit.

Ein Leben mit Gott beweist sich darin, dass wir inmitten von persönlicher Unsicherheit absolutes Vertrauen zu Gott haben und bereit sind, mit ihm zu gehen – auch ohne Garantie auf menschlichen Erfolg. Levi ging in ein unsicheres Leben – aber er hatte Glauben und er vertraute Jesus.

Wunder erster Dimension

Wir haben uns am Anfang gefragt, warum wir so wenige Wunder erleben. Wunder haben viel mit Glauben zu tun und mit Vertrauen. Es gibt einen Glauben erster Dimension – und dazu gehören Wunder erster Dimension. (Hinweis: Glaube zweiter Dimension: in zwei Wochen.)

Glauben erster Dimension brauchen wir dann, wenn es um Dinge geht, die wir nie mit Gott erlebt haben (oder selten erleben), die aber im Bereich des Möglichen liegen. Es sind Dinge, die unsere Erfahrungen übersteigen, aber die sehr wohl denkbar sind. Bsp: Levi: Es ist durchaus denkbar, dass er auch bei Jesus irgendwie versorgt wird. Dass er auch außerhalb seines Zollbüros nicht verhungert, dass er irgendwo wohnen kann, dass das Leben auch ohne Haus und Hund gut wird.

Wunder der ersten Dimension sind Dinge, die andere Menschen auch schon erlebt haben – nur wir selbst vielleicht nicht. Oder nicht so oft. Es sind keine kleinen Wunder – aber sie sind manchmal nicht so leicht als Wunder erkennbar. Oft erkennen nur wir selbst, dass Gott wunderbar gehandelt hat: Andere Menschen würden das, was wir als ein Wunder Gottes erleben, einen glücklichen Zufall nennen.

Glaube erster Dimension

Damit wir Wunder erster Dimension erleben, brauchen wir Glauben erster Dimension. Was ist das?

Wir verwechseln Glauben oft mit Gefühlen und wir meinen, wenn wir uns stark fühlen, dann wird Gott handeln. Wir meinen, wir müssen unseren Glauben groß genug machen, damit Gott ein Wunder tut. Aber das stimmt nicht. Wir müssen damit aufhören, Gott durch glaubensstarke Gebete dazu zu bewegen, dass er das tut, was wir für richtig halten!

Glaube bedeutet nicht mehr und nicht weniger als Vertrauen: dass Gott mich liebt und dass er alles richtig macht! Was bedeutet das für unsere Gebete? Wir sollten Gott bitten, dass er seine Pläne durchführt und dass sein Reich kommt. Und für uns: Wir bitten Gott vor allem, dass wir treu sind und dass er uns den Mut gibt, das zu tun, was richtig ist.

Glaube erster Dimension zeigt sich nicht durch Gefühle, sondern durch Entscheidungen! So war es auch bei Levi: Jesus kam und rief ihn – und Levi hat vertraut, dass Jesus weiß, was er tut und dass alles gut und richtig wird. Und deshalb hat er eine Entscheidung getroffen: Ich gehe mit.

Glaubensprüfungen

Gott prüft unseren Glauben und unser Vertrauen. Warum? Damit wir selbst erkennen, wie wir wirklich sind – und damit andere es auch erkennen. Damit wir sehen, wo wir noch wachsen können – und damit wir wachsen. Denn ein Mensch verändert sich nur durch Krisen und Schwierigkeiten. Deshalb ist das Leben eine Reihe von Prüfungen. Die meisten Herausforderungen in unserem Leben sind eine Prüfung unseres Glaubens erster Dimension: Geld, Beziehungen, Entscheidungen.

Gott prüft unser Vertrauen – und das hat viel mit Charakter zu tun: mit Gehorsam und Treue.

Beispiel Wahrheit: Wenn ich etwas sage, meine ich das auch? Kann man sich auf mein/dein Wort verlassen? Bsp: Helga sagt: „Ich bringe für die Weihnachtsfeier einen Kuchen mit.“ Den Kuchen will sie am Samstag backen. Aber am Samstag bricht das Chaos aus: sie hat Kopfweh, die Kinder sind pampig, der Fön brennt durch, ihr Mann muss arbeiten, das Mehl ist leer ... Was tut sie? 1. Sie sagst sich: Es gibt genug Kuchen, es merkt ja keiner, wenn ich nichts mitbringe – und außerdem ist so viel Kuchen sowieso nicht gesund. ist alles richtig. Aber sie hat ihr Wort nicht gehalten!  2. Sie bittet Gott: Ich habe etwas versprochen. Es fällt mir schwer, es zu halten. Ich habe keine Lust und keinen Nerv – aber ich will zuverlässig sein. Hilf mir beim Backen!

Bei solchen Kleinigkeiten fängt Gehorsam an. Warum fällt es uns schwer, gehorsam zu sein? Weil es uns schwer fällt, zu vertrauen. Die Folge: Wir opfern unseren Charakter. Wir tun Dinge, von denen wir wissen, dass sie nicht richtig sind. Aber sie sind einfacher, als Gottes Geboten zu folgen. Wir nehmen unser Leben selbst in die Hand – und das zeigt, dass wir Gott nicht wirklich vertrauen.

Ganz praktisch: Du hast ein Problem – z.B. Arbeitslosigkeit / Probleme in deiner Ehe. Das ist eine Prüfung: Vertraue ich Gott wirklich? Du betest: „Herr, hilf mir: Heile meine Ehe / Gib mir eine Arbeitsstelle.“ Wenn das sofort geschieht, brauchst du nicht vertrauen – dann ist die Sache ja vom Tisch. Aber nehmen wir an, es ändert sich nichts. Das ist die Prüfung, die Herausforderung für Glaube und Charakter:

Wie verhalte ich mich? Bleibe ich ehrlich und sauber? Oder trenne ich mich innerlich von meinem Ehepartner und beginne andere Beziehungen /  ich arbeite illegal oder beschaffe mir Geld durch krumme Geschäfte.

Wie gehe ich mit Gott um? Er tut nicht, was ich will! Ich kann sauer / beleidigt sein und mich von Gott entfernen. Oder ich suche ihn mehr als zuvor: Jesus, ob mit oder ohne Arbeitsstelle / ob meine Ehe glücklich ist oder nicht: ich will mit dir leben und für dich! Ich will tun, was du willst – und ich will meinen Charakter verändern lassen.

Tue eines nie: schreibe Gott nicht vor, wie er dein Problem lösen soll. Seine Wege sind nicht unsere Wege! Wenn wir Gott vertrauen – und uns ihm anvertrauen – kann er aus jeder schwierigen Situation etwas Neues schaffen. Meistens löst er die Schwierigkeit nicht so, wie wir es von ihm erwarten. Nein, denn Gott ruft uns aus der Bequemlichkeit heraus in die Ungewissheit (Arbeitslosigkeit / Eheprobleme / Krankheit das sind Unsicherheiten!). Die Ungewissheit ist der Raum, in dem Gott an uns wirken kann. Hier ist Freiheit von menschlichen Bindungen. Hier beginnt das Abenteuer mit Jesus. In der Ungewissheit kann Gott uns rufen und auf seinem Weg führen. Deshalb geschehen so wenige Wunder in Deutschland!

Gott ruft uns immer wieder, so wie er Levi gerufen hat. Aber meistens sind wir zu beschäftigt, deshalb hören wir ihn nicht. Wir sind vor allem damit beschäftigt, uns ein sicheres Leben zu bauen – und damit verpassen wir den Weg, den Gott mit uns gehen will.

Habe Mut! Habe Glauben! Vertraue Gott! Wir sollten unsere Beziehung zu Gott nicht darauf konzentrieren, dass er unsere Probleme wegnimmt. Unsere Probleme/Ungewissheit sind unsere Chancen: uns von Gott verändern zu lassen unser Vertrauen zu vertiefen neue Wege zu gehen unseren Glauben zu stärken.

Und dann werden wir Wunder erleben. Je mehr Ungewissheit, umso mehr Wunder. Wir werden Gottes Nähe, Wirken, Hilfe, Führung erleben.

 

Gebet nach dem Gottesdienst: Es wird zuviel für Krankheiten / Probleme gebetet. Damit meine ich nicht diejenigen, die für Krankheiten / Probleme beten lassen: kommt weiterhin! Wir beten! Aber es kommen zu wenige, die Gebet wünschen für: besseres Hören auf Gott, Mut für Ungewissheit, Stärkung des Glaubens, Veränderung des Charakters.

Ich wünsche mir, dass wir nicht in erster Linie dafür beten, dass Gott uns unsere Probleme wegnimmt, sondern dass Gott uns tapfer macht, damit wir ihm nachfolgen und unsere Berufung ergreifen.

Dies wird uns vorbereiten auf den Glauben zweiter Dimension – und die Wunder zweiter Dimension. ( Hinweis auf Predigt in zwei Wochen.)

 

[[Nach einem Artikel aus „Aufatmen“, 3/2004]]